So funktioniert der Drehrohrofen
Robustes Design mit High-Tech-Finesse
Der vermeintlich robusten und einfachen Bauweise des Drehrohrofens steht die Komplexität der chemischen und stofflichen Vorgänge gegenüber, welche im inneren des Ofens ablaufen. Dementsprechend vielfältig sind die Einflussfaktoren, die bei der Prozessauslegung beachtet werden müssen. Als direkte Folge gibt es eine Vielzahl an Drehrohrofen-Varianten und unzählige optionale oder notwendige Applikationen, die den Prozess komplementieren. Im Folgenden soll daher der Produktweg durch den Drehrohrofen allgemeingültig skizziert werden, um ein initiales Verständnis über potenzielle Herausforderungen zu generieren.
Materialzufuhr
Vor der eigentlichen Wärmebehandlung muss das Edukt dem Ofen zugeführt werden. Komplexität und Anzahl der hierfür notwendigen Fördertechnik, Sensortechnik und weiterer Apparaturen hängen stark von den Materialeigenschaften, der Betriebsart des Ofens und den Bedingungen am Einsatzort ab. So kann die Befüllung zu diskreten Zeitpunkten (Batch-Betrieb) oder kontinuierlich (Konti-Betrieb) erfolgen. Außerdem bestimmen Materialeigenschaften wie Transportfähigkeit oder Reaktivität, welche Applikationen anwendbar sind. Auch die Gegebenheiten am Betriebsort wie Platzverhältnisse, Materialbereitstellung und Störfaktoren spielen eine entscheidende Rolle. Häufig wird die Materialzufuhr mittels Eintragsförderschnecke in Kombination mit einem Dosiersystem sowie einer Möglichkeit zum Einstellen der gewünschten Prozessatmosphäre realisiert.
Prozessraum
Der Ofenkopf fungiert als Systemgrenze zum Prozessraum und verfügt über Verbindungspunkte für eine Vielzahl von Apparaten zur Prozessüberwachung und –steuerung. Hierzu zählen zum Beispiel Thermoelemente, Optiken und Prozessgasleitungen. Um einen potenziell sicherheitskritischen Atmosphärenaustausch zwischen Prozess- bzw. Heizraum und der Umwelt zu verhindern, kommen Dichtungen zum Einsatz. Auch deren Komplexität ist stark abhängig vom Anwendungsfall. Für Prozesse mit hohen Anforderungen hinsichtlich der Atmosphärentrennung nutzt ONEJOON ein eigens entwickeltes und patentiertes staub- und gasdichtes Mehrkammer-System, welches bei Über- und Unterdruck verlässlich abdichtet. Somit ist sowohl der Einsatz von Schutzgasatmosphären wie N2, H2 oder O2 als auch die Wärmbehandlung gesundheitsschädlicher Inputmaterialien möglich.
Wärmebehandlungsprozess im Drehrohr
Der eigentliche Wärmebehandlungsprozess findet im Drehrohr (Prozessraum) statt. Hier wird das Material entsprechend zu bestimmenden Kennlinien für eine definierte Verweilzeit wärmebehandelt. Bei Batch-Prozessen wird das Drehrohr in diskreten Abständen befüllt und fährt dann die Temperaturprofile bei entsprechender Drehzahl des Rohres ab. Bei kontinuierlichem Betrieb kann der Massedurchsatz durch mehrere Faktoren eingestellt werden. Dazu gehören neben der Länge und dem Durchmesser der Trommel, die Drehzahl, der Neigungswinkel und potenzielle Inneneinbauten. Beide Betriebsarten können je nach Rohrwerkstoff und Beheizungsart bei Temperaturen bis 1.200°C gefahren werden. In Sonderfällen sind auch Temperaturen bis 2.000°C möglich. Je nach Prozess wird die Prozessgasführung - relativ zum Materialfluss - gleichgerichtet (Gleichstrom) oder reziprok (Gegenstrom) ausgeführt. Die Beheizung des Ofens erfolgt bei hochwertigen Werkstoffen indirekt und kann wahlweise elektrisch, über ein Brennersystem oder mit einer vorgeschalteten Brennkammer erfolgen. Eine hinter den Heizelementen befindliche Isolation ermöglicht einen idealen Wärmeübergang auf das Rohr bei minimalen Wärmeemissionen an die Umgebung.
Die charakteristische Rotationsbewegung des Drehrohrs wird über einen E-Motor mit Kettenantrieb realisiert. Gelagert wird das Drehrohr über einen Laufring, welcher auf dem Umfang des Rohrs montiert ist und auf Laufrollen abrollt. Die Laufrollen wiederrum sind über entsprechende Lager auf dem Ofenrahmen befestigt. Der Rahmen besteht aus einem stabilen Stahlgerüst, wodurch das System die nötige Steifigkeit erlangt.
Kühlung
Im Anschluss an den beheizten Bereich des Ofens kann eine indirekte Kühlung des Materials erfolgen. Die Kühlzone besteht wahlweise aus einem Kühlrohr oder anderweitiger, gekühlter Fördertechnik wie z. B. einer wassergekühlten Vibrationsrinne. Bei ersterer Variante wird das Kühlrohr permanent über ein offenes System, mit einem das Rohr umströmenden Medium, gekühlt. In der industriellen Praxis wird als Kühlmedium Wasser oder Luft eingesetzt. Die Dimensionierung der Kühlzone richtet sich primär nach der Zieltemperatur des Materials, dem Massedurchsatz und der spezifischen Wärmekapazität des Produkts.
Produktausschleusung
Austragsseitig werden erneut ein Ofenkopf und eine Dichtung als Systemgrenze zur Umwelt eingesetzt. Der Ofenkopf besitzt einen Produktausfallschacht, über den das wärmebehandelte Produkt aus dem Ofen ausgeschleust wird. Je nach Prozessanforderungen kann der Produktausfallschacht um weitere Apparate zur Atmosphärentrennung und Weiterverarbeitung ergänzt werden.
Wie dargestellt, steht der vermeintlich einfachen Bauweise des Drehrohrs ein komplexes Prozesshandling gegenüber, welches die Produktqualität und den erzielbaren Massedurchsatz signifikant beeinflusst. Daher sind die Apparaturen, die den Drehrohrofen ergänzen, erfolgskritisch für eine hohe Produktqualität und einen komfortablen Betrieb der Anlage. So besteht z. B. die Möglichkeit, die Ofenköpfe und das Dichtsystem fahrbar auszuführen, womit sich - im Vergleich zu einem fest montierten System - eine Zeitersparnis von 25-30 % bei Wartungsarbeiten ergibt. Weitere Applikationen ermöglichen beispielsweise die Temperaturmessung am Produkt oder eine Reinigung des Prozessraums.
Hauben und Schutzeinrichtungen
Müssen für einen Prozess besonders strenge Grenzwerte (z. B. hohe OEB-Level) für die Kontamination bzw. für stoffliche Emissionen des Prozess- oder Heizraums eingehalten werden, kann komplementär zur Dichtung ein geschlossenes Absaugsystem außerhalb des Ofens eingesetzt werden. Hiermit wird die Sicherheit der Anlage auch bei einem potenziellen Störfall gewahrt.